Ein Schritt über die Türschwelle und die Alpen liegen im Rücken des Besuchers. Man wähnt sich in Mailand, mindestens. Der tosende Verkehr des Unteren Grabens verstummt und eine Welt aus gestärkten Tischtüchern, frischer Pasta und gedämpften Gesprächen empfängt den Besucher. Im Baratella ist man nicht Kunde, sondern Gast. Hier kochen keine Moleküle, sondern die Familie Marchesoni zelebriert italienische Esskultur. Die Menus sind schon längst zu Spezialitäten, das Baratella zu einer Institution unter den St.Galler Restaurants gereift. Regelmässig wird die Speisekarte von heimischen Kunstschaffenden neu gestaltet, aber diese Zyklen markieren schon fast Epochen.
Ausserhalb des Refettorio blieb die Zeit allerdings nicht stehen. Für die Toiletten und die Personalgarderoben musste ein Ersatz geschaffen werden. Im Grundriss des Restaurants war zu wenig Platz dafür und so wurden die Nebenräume im Erdgeschoss des Nachbarhauses eingebaut. Dem Trend folgend, wäre wohl ein schicker Umbau mit ein bisschen hochwertigem Porzellan und einer Prise Bisazza entstanden. Doch was kümmert la Baratella der Zeitgeist? Und so steht nun ein kecker Begleiter an der Seite der altehrwürdigen Dame. Ein bisschen Vorlaut zwar, aber mit dem unerschütterlichen Selbstvertrauen von italienischen Schauspielern und Gigolos.
Das geometrische Muster der Platten sticht sofort ins Auge. Kontrastreich setzt sich das Ornament von der Welt des Gastraumes ab. Doch bereits zuvor verschieben sich die Farben dezent von Grün zu Gelb, der Bodenbelag wechselt von Parkett zu Linoleum und die Schrift bleibt klassisch, ist aber auf dem neuesten Stand. Auch die Schreinerarbeit schafft den Spagat zwischen handwerklichen Tugenden und einem zeitgemässen Ausdruck. Präzise gefügt zeigt sie im windschiefen Nebenhaus ihre glatten Oberflächen, die sich von den abgewetzten Tritten und Geländern abheben.
Sowohl die Toiletten als auch der Personalraum wurden mit derselben Sorgfalt erneuert. Eine Geste, die zeigt, dass im Baratella nicht nur der Gast geschätzt, sondern auch das Personal geachtet wird. Und der Geist? Er sitzt in allen Poren und Ritzen des geduckten Hauses und lässt sich wohl so schnell auch nicht vertreiben.