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TxT · № 2

Eigentlich war die Angelegenheit rein technischer Natur: Die Kühlanlage der Aufbahrungshalle musste angepasst werden. Statt immer alle Räume zu kühlen, sollten diese individuell temperiert werden können. Die schützenswerte Architektur und der bedachtsame Umgang mit der Vergänglichkeit des Menschen führten dazu, dass neben dem Haustechnikplaner auch ein Architekt gefragt war. Denn in der Auseinandersetzung mit dem Unfassbaren ist jedes Detail von Bedeutung.




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Dokumentation Hochbauamt, 2011 | N° 159
November 2011
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Sanierung Aufbahrungshalle Ostfriedhof

In unmittelbarer Nachbarschaft zur Aufbahrungshalle befindet sich die Abdankungshalle des Ostfriedhofs, deren Renovation bereits 2005 erfolgte. Der St.Galler Architekt Bruno Bossart holte die verstellten Qualitäten des Gebäudes wieder hervor und setzte ihnen das Motiv der «Toteninsel» an die Seite. Das Bild von Arnold Böcklin zeigt den Übergang zwischen den Welten als Reise auf einem Schiff, auf eine Insel, mit dichtem Zypressenhain und Höhlen für die Toten. In der räumlichen Umsetzung des Gemäldes bietet der Raum seither einen interkonfessionellen und würdigen Ort für die Trauer. Mit dem Umbau der Kühlanlage taucht ein Fragment des Bildes nun auch im Nachbarhaus auf.

Behutsame Annäherung

Die Aufbahrungshalle des Ostfriedhofs wurde 1953 von Stadtbaumeister Hermann Guggenbühl entworfen und befindet sich im Inventar der schützenswerten Bauten der Stadt. Das eingeschossige Gebäude ist gekonnt in die parkartige Gesamtanlage eingefügt und zeichnet sich durch seine spannungsvoll komponierten Fassaden und das anmutige Atrium aus. Aufgrund der plastischen Gliederung sind die vier Aufbahrungsräume von aussen ablesbar. Graublau gerahmte Felder umfassen Wandscheiben mit Platten aus gebranntem Ton mit Kreuzzeichen, dem einzigen Schmuck im Haus. Die Stimmung der Anlage ist geprägt durch die sensible Abstimmung von Farbe und Material sowie die hohe Qualität der Details. Roter Klinker und feine Abstufungen von Blau bis Grau prägen den Ort ebenso wie der durch weisse Streifen unterbrochene, schwarze Terrazzo.

Akribisch tastete der Architekt das Gebäude auf seine Besonderheiten ab und holte diese, wo nötig, wieder hervor. Die Substanz aus den Fünfzigerjahren befindet sich in einem guten Zustand und kann nahezu unverändert erhalten werden. Zudem kamen die ursprünglichen, äusserst feinen Farbnuancen wieder zur Anwendung, die durch die Jahre unter Schichten von ähnlichen, aber nicht identischen Farben verschwunden waren. Lediglich die Fenster der vier Räume wurden ausgetauscht und in ihren Proportionen angepasst. Mittels filigraner Profile konnte die feingliedrige Anmutung der Fünfzigerjahre mit den energietechnischen Anforderungen unserer Zeit in Einklang gebracht werden.

Technik trifft auf Kultur

Die haustechnische Erneuerung zeigt sich zur Hauptsache im Keller, wo ein Monobloc fast den ganzen Raum besetzt. Dort wird die Luft vorgekühlt, bevor sie über ein dezentrales Klimagerät für jeden Raum individuell auf die geforderte Temperatur gesenkt wird. Und genau diese Geräte drohten die Stimmung der Aufbahrungshallen zu stören. Um der Technik eine Schicht «Kultur» voranzustellen, griff der Architekt wieder auf das Böcklin-Bild zurück. Die Installationen wurden hinter einer asymmetrischen Verkleidung versteckt, deren tief grüne und geheimnisvoll schimmernde Oberfläche an den Zypressenhain erinnert. Die unergründliche Tiefe bietet Raum für die Gedanken und Erinnerungen der Hinterbliebenen.

Das Volumen der Verblendung ist aufgebrochen, in Einzelteile zerlegt und durch die unterschiedliche Tiefe der einzelnen Fronten wird der Verkleidung ihre Wuchtigkeit genommen. Wie in der Abdankungshalle ergänzt der Einbau auch in der Aufbahrungshalle unaufdringlich und subtil den Bestand. Und der Übergang zwischen den Welten ist auch hier in einer sanften Bewegung des Raumes ausgedrückt, dem unwiderruflichen Hinübergleiten auf die Insel der Toten.


Marko Sauer am, 26 11 2012

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